Können wir dem astronomischen „Seeing“ ein Schnippchen schlagen? Wie das funktioniert, haben wir im Frühling 2024 beim Projekt „Lucky Imaging“ erlebt. Die Grundidee bei diesem Verfahren ist, die Bewegung der Luftunruhe durch sehr kurze Belichtungszeiten (höchstens 1/100 Sekunde!) quasi einzufrieren, so dass keine Bewegungsunschärfen fotographiert werden. Zudem sammelt man idealerweise mit einer Videokamera in kurzer Zeit möglichst viele solcher kurzbelichteter Bilder – typischerweise mehrere Tausend innert Minuten. Aus all diesen Bildern werden dann per Software automatisch die jeweils besten Details aller Bilder ausgewählt, einzeln aufaddiert und wieder zu einem Gesamtbild zusammengesetzt. Dieses Bild enthält nun potentiell sehr viele kleine Einzelheiten, welche durch geeignete Schärfealgorithmen hervorgezaubert werden können – immer wieder faszinierend!
Wir haben mit der monochromen Kamera ASI432MM von ZWO gearbeitet, bei einer Auflösung von 1608 x 1104 Pixel und einer Pixelgrösse von 9 Mikrometern.
Mit der Video Aufnahme-Software SharpCap und per USB3 Verbindung können damit bis über 100 Bilder pro Sekunde (fps) im unkomprimierten AVI Format z.B. auf einem Laptop mit SSD (Solid State Drive) abgespeichert werden. Innert einer Minute werden so bis zu 20 Gigabyte Daten abgespeichert.
Das abgespeicherte File ist also ein Zeitlupenvideo. Entscheidend ist, bei der Speicherung keine Komprimierung zu verwenden, sonst gehen nämlich die versteckten Detailinformationen verloren.
Im Nasmyth Fokus des MFT haben wir damit einen kleinen Ausschnitt der Oberfläche des Mondes gefilmt – mit 120 Bildern pro Sekunde!
Mit der Gratis-Software Autostakkert haben wir danach das Zeitlupenvideo „gestackt“. Dabei werden Tausende von Details in jedem einzelnen Bild separat verfolgt, und die jeweils „schärfsten“ Momente von jedem einzelnen Detail möglichst passgenau aufaddiert. Am Schluss wird alles automatisch zu einem Resultatbild zusammengesetzt, ähnlich einem Puzzle, so dass alles wieder nahtlos zusammenpasst.
Emil Kraaikamp erläutert in diesem YouTube Video auf Englisch im Detail die Bedienung und Funktionsweise seiner Software Autostakkert.


Als Resultat erhalten wir ein Bild (im TIF Format mit vielen MB Grösse), in welchem feinste Details verborgen sind. Wir benutzen nun die Wavelet Schärfe-Algorithmen der Gratis-Software Registax: mit geeigneten Einstellungen (probieren geht hier über studieren) erscheinen auf wunderbare Weise zahlreiche, kleinste Mondkrater. Wir erhalten also ein Bild, welches viel schärfer ist! Dem „Seeing“ wurde damit ein Schnippchen geschlagen und wir sehen den Mond (fast) so scharf, wie er im Weltall zu sehen wäre, ohne verschmierende Luftunruhe.

Am 22. März 2024 – am Nachmittag vor dem Jugendgruppenabend – war auch auf der Sonne einiges los! Anschliessend ein entprechendes „Lucky Imaging“ Video von diversen Aktivitätsgebieten in der solaren Chromosphäre. Zwei dieser Gebiete sind nur zehn (!) Stunden später in einer seltenen Doppeleruption gleichzeitig explodiert. Siehe dazu unseren News-Bericht Sonnenfleckeneruption im Double.




Es gibt diverse Amateurastronomen, welche mit genau diesem „Lucky Imaging Verfahren“ Bilder von hellen, astronomischen Objekten aufnehmen, welche faszinierende, kleinste Details zeigen.
Ein super Beispiel ist die Webseite von Damien Peach wohnhaft in Selsey, an der Südküste von England. Ihm gelingen manchmal Bilder vom Jupiter, welche in Sachen Detailreichtum fast mit dem Hubble Space Teleskop mithalten können!
22. März 2024: anwesend waren: Sven Arnold, Cedric Ettlin, Markus Heini, Dorian Horber, Valentin Perrez, Joy Sigrist, Luca Tresch, Elmar Wüest (Leiter Jugendgruppe) und Roland Stalder (Experte)
Am gleichen Abend haben wir durch den TEC APO 180 FL auch Jupiter gefilmt (mit Okularprojektion durch ein 7mm Nagler Okular, resultierend in einer effektiven Brennweite von ca. 5 x 1260 mm = 6.3 Meter (Abbildungsmasstab 30 Mikrometer / Bogensekunde, resp. 0.30 Bogensekunden / Pixel). Obwohl das Seeing schlecht war und Jupiter nur knapp 30 Grad über dem Horizont stand, konnten wir mit Lucky Imaging doch einige Details seiner Wolkenbänder und Zonen sichtbar machen.
17. Mai 2024: anwesend waren: Dorian Horber, Livio Nussbaumer, Gilles Koch, Markus Heini, Elmar Wüest (Leiter Jugendgruppe) und Roland Stalder (Experte)
Roland Stalder, 9. – 18. Mai 2024
Bei deutlich besserem Seeing wurde am 9. Oktober 2024 ein weiterer Versuch mit Jupiter gemacht. Diesmal mit einer Farbkamera ZWO ASI178MC mit nur 2.4 Mikrometer Pixelgrösse. Die benutzte 12 Zoll Newton-Optik ergab mit Okularprojektion einen Abbildungsmassstab von 0.17 Bogensekunden / Pixel, womit der 43.3 Bogensekunden grosse Jupiter etwa 256 Pixel abdeckte. Mit 10 Millisekunden Belichtungszeit und 76 fps wurden 5’000 Bilder aufgenommen und mit dem Lucky Imaging Verfahren die 70% besten Frames gestackt und geschärft. Das Resultat zeigt nun deutlich mehr Details auf Jupiter!
Roland Stalder, update 9. Oktober 2024
Am 28. Oktober 2024 um 01:43 MEZ war das seeing prima, es wurde dasselbe 12 Zoll Teleskop benutzt, aber die Brennweite mit Okularprojektion weiter erhöht, so dass der Abbildungsmasstab auf der ZWO ASI178MC Kamera 0.12 Bogensekunden / Pixel betrug. Jupiter wurde mit seinen 45.7 Bogensekunden somit etwa 380 Pixel gross abgebildet. Es konnten damit noch mehr Wolkendetails herausgeholt werden. Links neben dem Planeten steht sein Mond Europa (1.0 Bogensekunden gross). Aufnahme mit 10ms, 100 fps, 5’000 frames, Autostakkert und Registax
(6 Sekunden, MP4, 1.5 MB)
Roland Stalder, update 31. Oktober und 3. November 2024