Zwar wurde sie auf dieser Webseite vorhergesagt und über die Keystone-SDA z.B. von der Newsseite Watson umgehend aufgenommen, aber schlussendlich war sie sogar noch spektakulärer als erhofft – das war die denkwürdige Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2024.
Die Prognose für die Aurora-Sichtbarkeit auf der Space Weather Prediction Webseite der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) begann in dramatischen Farben zu leuchten: ein Geomagnetischer G5 Sturm bahnte sich an! Es war zwei Tage nach Neumond, das Wetter spielte perfekt mit und zudem war Freitagabend nach Auffahrt: BINGO!
Es gab Polarlichter über der Schweiz zu sehen, wie sie hier wahrscheinlich seit Menschengedenken noch nie jemand erlebt hat!
Nachfolgend stellen wir Beobachtungen zusammen, welche in dieser Nacht gemacht wurden.
Hinweis: durch „Klicken“ auf die untenstehenden Bilder öffnet sich meistens ein grösseres Bild.
Auch die weiteren, sachdienlichen Messwerte auf der NOAA-Webseite zeigten, dass ein geomagnetischer Sturm im Gange war, wie er selten vorkommt. Wir wurden von mehreren Massenauswürfen getroffen, welche das Aktivitätsgebiet AR3664 auf der Sonne zuvor Richtung Erde geschleudert hatte.
Während der Polarlicht-Nacht vom 10. – 11. Mai flog die Internationale Raumstation (ISS) viermal über Europa: um 23:40, 01:17, 02:54 und 04:31 Uhr MESZ. (Quelle: Heavens-Above.com) Beim ersten Überflug trat sie zeitgleich in den Erdschatten ein – beim zweiten (um 01:17 MESZ) war sie im Erdschatten und die Astronauten hatten Nacht. Dadurch hätten sie ideale Bedingungen gehabt, um die seltenen Polarlichter über Europa von oben zu fotographieren. Während den letzten beiden Überflügen befand sich die ISS im Sonnenlicht und zudem war um 04:35 Uhr MESZ Beginn der nautischen Dämmerung .
Bisher ist mir nichts bekannt von entsprechenden Fotos oder Videos aus der Umlaufbahn.
In der Schweiz stehen zahlreiche Panorama-Kameras, welche laufend 360-Grad Bilder generieren. So haben zum Beispiel auch 40 Kameras der Firma Roundshot die Polarlichter eingefangen. (Link zum Bericht bei Roundshot)
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Aurora Australis auf der Südhalbkugel:
Vom 10.-11. Mai wurde bis nördlich des südlichen Wendekreises die Aurora Australis gesichtet: zum Beispiel auf der Tivoli Astrofarm in Namibia (23.5 Grad Süd, 18 Grad Ost), auf dem Le Morne in Mauritius (20.5 Grad Süd, 19.5 Grad Ost)) und sogar vom Etosha Nationalpark in Namibia (18.9 Grad Süd, 18 Grad Ost). Mit der aktuellen Position des magnetischen Nordpols (86 Grad Nord, 142 Grad Ost) liegen diese drei Orte auf magnetischen Breiten von 25, resp. 22 und 19 Grad Süd. Damit reiht sich dieser geomagnetische Sturm in eine kurze Liste von vergleichbar starken, dokumentierten Ereignissen in den letzten paar Jahrhunderten ein. (Quelle: Papers von Hayakawa et al und Knipp et al in Englisch)
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Auch die Webseite sternwarteluzern.ch erlebte im Mai 2024 einen Sturm – einen Besucher-Ansturm wie nie zuvor:
Am 11. Mai hatten wir mit 18’041 Seiten-Aufrufen ca. 100x mehr als an einem normalen Tag.
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Nacht vom 11. auf den 12. Mai 2024:
In der Nacht vom Samstag, 11. Mai auf Sonntag 12. Mai wurden die Beobachtungsplätze teilweise von Polarlicht-Suchenden überrannt, es waren aber nur noch ein paar schwache Streamers fotographierbar – der Sturm war bereits vorüber.
Für die Schweiz war es dank Nemo’s code-breaking 591 Punkten trotzdem eine denkwürdige Nacht.
Roland Stalder, 11. Mai bis 1. Juni 2024
Danke an alle, welche Material für diesen Bericht zur Verfügung gestellt haben.
Markus Burch mit Stella Burch bei der Flüsskapelle in Nottwil:
Wir (Stella und ich) wussten dass die Chancen aufgrund der ersten Schockwelle die früher als vorausgesagt eingetroffen war hoch waren und fuhren um 2100 Uhr zur Flüsskapelle in Nottwil. Diese liegt am südwestlichen Seeufer des Sempachersees mit freiem Blick Richtung Norden. Stella wollte mich unbedingt begleiten und auch Polarlichter sehen. Da ja Wochenende war durfte sie mitkommen. Ich musste Ihr dafür auch Liegestuhl, Sitz, Chips, Gummibärli mitnehmen, da sie wusste wenn wirklich sowas spezielles auf uns zukam, dann wird Papi voll im Element sein.
Stella stellte wohl einen Rekord auf. Nach nur gut 5 Minuten Polarlichtsuche hat sie schon Erfolg. Mit noch hellem Himmel war es möglich zuerst fotografisches Polarlicht (PL) zu sehen. Um 22.04 Uhr MESZ konnte ich dies aufnehmen. In den Minuten danach waren visuell wunderbare Polarlichter zu sehen inkl. Beamer am Nordosthorizont. Zuerst waren sie zwischen Deneb und der Wega. Dann bewegten sich die Beamer ständig weiter westlicher bis gegen Capella im Fuhrmann. Sie gingen auch bis zum Polarstern hoch. Ich war berührt, dass ich Stella schon innert Minuten Polarlichter zeigen konnte. Sie hat dann auch die Farben schön beschrieben, die sie gesehen hat. Sie hat Ihre eigene Kamera mit dabei und wir haben dann vom Stativ her mit 2 Kameras beobachtet.
Danach beruhigte es sich ein bisschen und es gab den grossen grünen Bogen über dem See der für einige Zeit bestand. Um kurz vor Mitternacht begann dann die 2. Phase die dann bis zum Zenit ging und geniales Polarlicht brachte wie ich es bis jetzt noch nie in der Schweiz gesehen hatte. Der grüne Polarlichtbogen war während Stunden über dem Nordhorizont und ständig gab es auf der Hälfte des Himmels Polarlicht. Ein Beamer nach dem anderen mit Farben von Rot, Purpur, Rosa bis ins Blaue gingen bis zum Zenit. Dann dehnte sich das Polarlicht kurz auch bis in den Südhimmel aus. Ebenso erschien dann in dieser Zeit auch noch ein weiteres Himmelsphänomen: STEVE. Die ISS überflog kurz vor Mitternacht auch noch den Bereich und die Astronauten werden sich wohl gewundert haben wie in Mitteleuropa Polarlichter leuchten. Stella wurde langsam müde und hat dann vom Vordersitz im Auto die Polarlichter weiter beobachtet. Sie sagte mir, dass sie müde sei, doch dass sie weiterschauen wolle. Ich habe es genossen und war tief berührt, dass ich meiner Tochter hier in der Schweiz so starke Polarlichter zeigen konnte.
Bis gegen 01.30 Uhr hat es dann ständig Aktivitäten gehabt. Rundherum hatten sich immer mehr Autos und Leute mit Kameras versammelt die dieses einmalige Event beobachten wollten. Sie kamen hoch von Nottwil da sie es auf dem Balkon oder beim Gassi-gehen gesehen hatten. Wir bauten dann um 01.40 Uhr ab und fuhren nach Hause. Stella ging ins Bett. Papi nochmals raus um die Kamera wieder laufen zu lassen. Ausserdem war ich noch mit Roli am Erstellen der Webpage und erster Bilder.
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Von zuhause aus in Horw ging es dann weiter. Jetzt halt nur noch die oberen Bereiche, da der Bireggwald dann zu hoch ist.
Das folgende Bild ist dann über die Stadt Luzern hinweg aufgenommen. So ging es dann noch die ganze Nacht weiter. Ich liess da aber arbeiten und habe die Kamera programmiert. Sie nahm bis gegen 04.15 Uhr PL Bilder auf. Dann wurde es im Nordosten schon heller. Leider kam dann als es heller wurde wieder ein neuer Impact der dann grösser gewesen wäre als die vorherigen. Aber da war es für uns halt schon zu hell.
Ich möchte hier mich bedanken, dass Stella diesen Wahnsinnspolarlichtmoment mit mir teilen durfte. Das macht einen Vater stolz wenn er seinen Kindern etwas von der Faszination des Sternenhimmels zurückgeben kann.
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Tagsüber habe ich mir dann kurz den Verursacher der vielen Flares nochmals angeschaut. Die Fleckengruppe AR-3664 ist zwar schon an den westlichen Rand gewandert aber war immer noch gleich gross oder grösser als die Gruppe die im Jahr 1859 das Carrington Ereignis ausgelöst hatte.
Daneben hat es auf der Sonne noch weitere aktive Fleckengruppen welche auch zeigen dass die Sonne schon nahe an Ihrem Aktivitätsmaximum ist.
Die Kp-Index Werte waren auch während des Tages noch auf Stufe 8. So entschied ich mich am Abend nochmals sicherheitshalber zur Flüsskapelle zu fahren. Dieses Mal ohne Stella da sie zu müde war und am Muttertag dann früh aufstehen musste. Als ich hoch zur Flüsskapelle kam traute ich meinen Augen nicht: ca. 40 Fahrzeuge waren da entlang der Strasse verteilt und viele Leute schon in Stühlen am Strassenrand und Stativen mit dabei. Durch die Bekanntmachung im SRF-Meteo am Abend, dass es auch in der Nacht zum Sonntag PL geben kann kamen viele hoch. Ich baute auf und aktuell war beim Eindunkeln nichts zu sehen auf der Kamera. Um 22.40 Uhr gab es kurz ein Aufflackern am Himmel. Leider wechselte dann der Bz-Wert nach Norden (der Bz-Wert beschreibt die Orientierung des interplanetaren Magnetfeldes gegenüber dem Magnetfeld der Erde), so dass die Aktivitäten einschliefen.
So ging ich gegen Mitternacht zurück. Wir wurden bei der Flüsskapelle auch verscheucht durch ein Lichtmonster das da sein Unwesen trieb. Bauern wussten nichts besseres als zu der Zeit vor Mitternacht mit Riesentraktoren und massiv Beleuchtung Mais auszusähen.
Zuhause habe ich die Kamera noch laufen lassen aber da war keine Aktivität mehr zu sehen.
Markus Burch, 11. bis 16. Mai 2024